Es war Odysseus und seinen Gefährten gelungen, der Bosheit der Lestrygonen schnell zu entkommen. Allerdings hatte er, bis auf eines, alle seine Schiffe verloren! Nun sind wir beim Gesang «Kapa» (K) in der Odyssee und er führt auf die Insel, auf der Kirke «ΚΙΡΚΗ» lebt. Die Beschreibung dieses Aufenthaltes dauert etwas länger, da Odysseus und seine Gefährten fast ein Jahr dortbleiben werden.
Das ist kein Zufall. In dieser Situation braucht Odysseus lange, um seine Instinkte und Wünsche zu bändigen. Wäre ihm dies nicht gelungen, so würden sie ihn in ein Schwein verwandelt haben. Nun hat Odysseus gelernt, vorsichtig und zurückhaltend zu sein. Er schickt dieses Mal die Hälfte seiner Gefährten, nämlich 23 aus, um eine Insel zu erkunden.
Auf dieser Insel «Αία» (Εa) lebt Kirke, die Tochter von Helios und Perseïs. Sie wohnt in einem Steinpalast zusammen mit zahmen Wölfen und Löwen, während die schöne und attraktive Göttin singt und webt.
Die Türen ihres Palastes stehen weit offen und sie „begrüsst“ immer ihre Besucher, indem sie sie auf „Throne“ sitzen lässt und ihnen ein reichhaltiges Essen und jede Menge köstlichen Wein «Kikeona» anbietet. Aber keiner der ahnungslosen Besucher kann sich vorstellen, dass in diesem Getränk ein magisches Kraut steckt, weil ihn der Genuss des Weins davon ablenkt.
Dies ist auch bei den Gefährten des Odysseus der Fall. Als sie in Kirkes Palast ankommen, werden sie vom guten Essen, dem reichlichen Wein und der schönen Göttin begrüsst und bezirzt (*). Sie fühlen sich wohl und glücklich über diese Verwöhnung. Doch schon bald wird ihnen klar, wozu das alles dient, als die Göttin ihren «Zauberstab» ausstreckt und plötzlich alle Gefährten sich in Schweine verwandeln.
Obwohl sie die Gestalt von Schweinen annehmen, wissen sie immer noch, wer sie sind und was mit ihnen passiert. Wie tragisch kann dieses Gefühl wohl sein? Als Odysseus sieht, dass seine Gefährten sich verweilen, beschliesst er, sie zu suchen. Unterwegs trifft er auf Hermes, der mit Auftrag entsendet wurde, ihm zu helfen.
Hermes ist derjenige, der ihm „Moly“ (Μώλυ – ein Kraut, zu dem nur die Götter Zugang haben), das Gegenmittel gegen die Magie der Göttin, liefert und ihm die entsprechenden Anweisungen gibt, z. B. wie er am besten mit Kirke umgehen sollte. Er solle nicht von ihrem Wein trinken, ohne «Molly» vorher eingenommen zu haben, um sie dann zu entwaffnen, da die Göttin überrascht sein werde, dass ihre Magie nicht wirke. Wenn das passiere und sie ihn bitte, Mitleid mit ihr zu haben, dann könne und müsse er mit ihr die Erlösung seiner Gefährten aus dem Zauber und ihre Befreiung aushandeln.
So geschieht es dann. Odysseus versteht die Anweisungen von Hermes und befolgt sie treu. Die Göttin ist überrascht, dass sich Odysseus durch ihre Zauberei nicht in ein Schwein verwandelt. Sie fühlt sich «verloren» und fleht ihn an, Mitleid mit ihr zu haben. Dabei verspricht sie, ihm und seinen Gefährten zu helfen. Es ist offensichtlich: er ist „anders“, er sieht klar, ist intelligent und geniesst die Gunst der Götter, was ihn für sie furchtbar attraktiv macht. Hermes hat Odysseus bereits im Voraus gewarnt, dass es gut wäre, sie nicht abzulehnen, wenn die Göttin ihn um ein «Treffen» mit ihm bitte, und so geschieht es.
Der Name der Göttin Kirke ist nicht zufällig, so wie in der gesamten Odyssee nichts per Zufall geschildert wird. Der Name KIRKE kommt von KRIKO, was KREIS bedeutet (wobei es offensichtlich ist, dass es sich um ein kleines Anagramm handelt, das damals bei den alten Griechen sehr verbreitet war). Der Name ist wichtig, da er uns auf den zyklischen Verlauf unseres Lebens auf der Erde mit Geburt und Tod und damit auf den Kreislauf der Reinkarnationen verweist.
“ΠΡΟΚΛΟΣ» Proklos (410 – 485 n. Chr.), der neuplatonische Philosoph, betrachtet die ERDE als den Wohnsitz der Kirke, wo die «Seelen» von ihrem «Wein» besessen sind, ein «Wein» der Vergesslichkeit, der Täuschung und der Unwissenheit. Es war dieser Wein, der seine Gefährten in Schweine verwandelte. Dies ist natürlich nur eine Allegorie, um zu verstehen, dass seine Gefährten nun nach der Transformation ein «Tierleben» führten und an die Materie gebunden worden sind! Interessant hier scheint zu sein, dass die Hälfte der Gefährten, also 23, von den insgesamt 46 Gefährten, in Schweine verwandelt wurden. Soviel wie die Anzahl der Säulen des Parthenon und den Chromosomen im menschlichen Genom!
So könnte heute auch die Frage entstehen, ob Kirke Methoden zur genetischen Veränderung besass? Könnten die vier Dienerinnen, auf die sich Homer bezieht, auch die vier Nukleasen Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin (T) widerspiegeln, aus denen die DNA besteht???
Die Göttin verwandelt die Gefährten von Odysseus wieder in normale Menschen, nur dass sie dieses Mal schöner, schlanker und jünger sind! Sie haben sich also weiterentwickelt. So kann Kirke das Leben für die Menschen auf der Erde weiterentwickeln.
Die Insel von Kirke kann alles sein, was uns „verzaubert“ und uns im Leben der Freuden und Vergnügen „gebunden“ und „kontrolliert“ hält, also in der faszinierenden Welt der Materie. Ohne es wirklich mitzukriegen, werden wir, während wir auf den von der Göttin bereitgestellten „Thronen“ sitzen, zu Gefangene der physischen Welt und vergessen den wahren Zweck unserer Inkarnation in diesem Leben. Als Konsequenz, müssen wir wieder zurückkehren und uns reinkarnieren. Dieser kreisförmige Weg wird solange dauern, bis es uns -wie Odysseus- gelingt, weiterzuentwickeln und in andere höhere Dimensionen aufzusteigen.
«ΕΡΜΗΣ» (Hermes), der Bote der Götter, der die Seelen begleitet, wenn sie ihren Körper ergreifen und verlassen, und der den «ΛΟΓΟΣ» Logos repräsentiert, ist derjenige, der die Grenzen zwischen Himmel, Erde und der Unterwelt überschreitet: Etwas, das sowohl den meisten Göttern als auch den Menschen verboten ist.
Er ist derjenige, der Vernunft mit Unvernunft, oder Denken und Fühlen „vereinen“ kann, wie z.B. das Verlangen oder den Sexualtrieb mit dem Streben nach Heiligkeit, und der die Emotionen zusammenbringen kann.
Odysseus ist, bevor er mit der Göttin in Kontakt kam, mit dem «ΛΟΓΟΣ», dem LOGOS- Hermes in Kontakt gekommen und nun ist die Göttin nicht in der Lage, ihn zu verwandeln. Er flirtet mit ihr und geht mir ihr ins Bett. Diese Welt von Kirke und die Freude die sie bereiten kann, sind nicht schlecht, solange wir unser Ziel nicht aus den Augen verlieren, d.h. solange das Vergnügen nicht unser Ziel ist! So erkennen sowohl Odysseus als auch seine Gefährten auf dieser Etappe ihrer Reise, dass ihr endgültiges Ziel Ithaka ist.
Wie Proklos jedoch sehr weise zu dieser Allegorie sagt: «Wir sollten uns nicht wundern, dass viele in diesem Leben zu „Wölfen“, „Schweinen“ oder einer anderen „unvernünftigen“ Tierart werden. Aber wir sollten überrascht sein, dass manche Seelen Nüchternheit und Treue bewahren», was ihnen dient, wie bei Odysseus. Es sind diese Seelen, die zum «ΛΟΓΟΣ» Logos und «ΓΝΩΣΗ» (Gnose) Wissen neigen.
Allerdings entwickeln sich nicht nur Odysseus und seine Gefährten durch diesen Aufenthalt weiter, sondern auch Kirke selbst. Plötzlich wird sie nicht mehr feindselig, sondern freundlich, hilfsbereit und unterstützt des Odysseus’ Bemühungen!
Sie ist diejenige, die ihm sagt, dass er in den «ΑΔΗ» (Hades) Unterwelt hinabsteigen muss, um den Seher Teiresias zu finden um den Grund seines Leidens herauszufinden. Sie ist diejenige, die ihm wertvolle Anweisungen zum Umgang mit übernatürlichen Kräften wie den Sirenen oder mit Skylla und Charybdis geben wird, was wir in der Fortsetzung sehen werden.
Dr. med. Kyriaki Stefanidu
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(*) «bezirzen» von «Kirke» oder «Circe»
Reference: Visaltes , Dimitra Liatsa (Odysseia)