Die Reise des Odysseus

Oder die Evolutionsstufen des Menschen zum Göttlichen

In der Odyssee schildert Homer die Reise des Odysseus nach dem Sieg im trojanischen Krieg, zurück in seine Heimat nach Ithaka. Diese Reise entwickelt sich zu einer Folge schwerer Schicksalsprüfungen. Es ist kein Zufall, dass die Odyssee das Lehrbuch für Studenten im antiken Griechenland wurde. Auf den ersten Blick scheint sie ein unterhaltsames Märchen zu sein, aber wenn man sie sorgfältig liest, und die in den beschriebenen Ereignissen verborgenen Dimensionen in der Sprache Homers selbst verstehen kann, erkennt man, dass dieser Text essentielle Wahrheiten des Lebens enthält.

Sie ist eine Metapher für die unterschiedlichen Phasen auf dem Weg einer spirituellen Entwicklung des Menschen.

Wenn wir uns mit Odysseus auf die Reise begeben, können wir entdecken, wie die menschliche Natur viele Hindernisse überwinden muss, um seiner Gottnatur (wörtlich «Θέωση« = Vergöttlichung) näher zu kommen. Im Gegensatz dazu scheint es verständlich, wie und warum der Mensch auf einer der «Inseln», die er wie Odysseus gelegentlich besucht, vorübergehend alles vergessen und sein Gleichgewicht verlieren kann.

Als Odysseus Troja verlässt (in diesem Fall steht Troja für einen Neuanfang, eine spirituelle Geburt), beginnt eine Reise des Geistes, um schliesslich nach langen Wirren mit einer gereinigten, reinen Seele seine Frau wieder zu finden: die Penelope.

Mit seinen Gefährten betritt er als ersten Zwischenhalt die Insel von Kikones. Dort plündern und verwüsten sie buchstäblich die Stadt der reichen Kikons. Obwohl Odysseus seine Gefährten auffordert, das Plündern und Völlern zu beenden, hören sie nicht auf ihn, sondern Rauben und Schlemmen ungezügelt weiter.

Deshalb rufen die Kikones andere, benachbarte Kikones um Hilfe. Da diese tapfere und gute Krieger sind, muss Odysseus mit seiner Flotte fliehen und verliert auf dieser Insel die meisten seiner Begleiter, sechs von jedem Schiff.
Da erscheint Nemesis, die Göttin der ausgleichenden Gerechtigkeit.*

Das Abenteuer auf den Inseln von Kikones symbolisiert den Kampf der Seele mit unseren tief verwurzelten und schwierig zu bändigenden Leidenschaften. Im griechischen beschreibt «Πάθοι», die «Pathoi» das zerstörerische Begehren, wie Gier, Habgier, Geldgier, Geiz, Eigennutz…

Könnte auch das, was wir in den letzten 3 Jahren anlässlich des angeblichen Covid-Virus erlebt haben und immer noch erleben müssen, eine Auswirkung von diesem «Pathoi» sein?

Könnten die Kumpanen des Odysseus nicht besonders mit den wirtschaftlich Mächtigen vergleichbar sein, die entsprechend ihrer «Πάθοι», der Leidenschaft eines zerstörerischen Begehrens, sich grenzenlos für ihren Besitz und Machteinfluss und ohne Rücksicht auf Verluste gebaren?

Diese «Pathoi» lauert in jedem von uns. Es sind einige der grundlegendsten, mächtigsten und tief verwurzelten Leidenschaften der menschlichen Natur.

Deswegen verliert Odysseus die meisten seiner Kameraden auf dieser Insel für immer. Odysseus wird auf der Insel Kikones mit diesen Leidenschaften konfrontiert. Er schafft es, sich durch die schmerzliche Erfahrung des Verlusts seiner Gefährten zu läutern. Das ist kein Zufall, denn diese Leidenschaften «Πάθοι», das zerstörerische Begehren, muss mit allen seinen vielen und verschiedenen Erscheinungsformen völlig abgelegt werden, um zu nächsten Zielen aufbrechen zu können.

Die Läuterung ist weder ein einfacher noch ein angenehmer Prozess. Und doch ist sie die einzige Möglichkeit, eine unserer niedersten Leidenschaften loszuwerden, um uns weiter zu entwickeln.

 

* Nemesis: 

1) Göttin der Bestrafung – Die Bestrafung, die von einer höheren Macht über jedem verhängt wird, der die moralischen Gesetze übertritt; göttliches Gericht.
2) Altgriechische Gottheit, Personifikation der gerechten göttlichen Rache.

 

Quellen:

Odyssee – Die kosmische Reise der Seele von Maria Maragou, Kaktos Verlag
Odyssee – Visaltis, Dimitra Liats

 

Beiträge der Serie “griechische Mythologie”

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