Wo sind wir an den Grenzen der Menschenwürde?
Wenn wir von der Menschenwürde sprechen, vom Begriff Menschenwürde, ist davon auszugehen, dass wir alle eine andere Vorstellung davon haben und zum vornherein nicht ein Einverständnis darüber vorausgesetzt werden sollte. Wir riskieren sonst eine Folge von Missverständnissen, deren Auswirkungen nicht hilfreich erscheinen. Das liegt an einer Tatsache, die in weiser Art Mooji (geb. 1954) geäussert hat: “Du siehst die Welt nicht wie sie ist, du siehst die Welt so, wie du bist.”
Dieser Begriff ist nämlich stark beeinflusst von verschiedenen Faktoren, zum Berispiel von religiösen Überzeugungen, vom Glauben, vom Menschenbild, das sich jemand macht, von Weltanschauungen und ethischen Konzepten. Auch die wirschaftlichen Voraussetzungen spielen eine Rolle, seien es Reichtum oder Armut, Arbeitsumstände, Arbeitslosigkeit oder -unfähigkeit und Kriegs- oder Friedenszeiten. Und ebenso wirken auf diesen Begriff rechtliche Konzepte ein, wie sie z.B. in den nationalen Unterschieden auftreten oder wie sie auf dem Hintergrund religiöser Gegebenheiten beeinflusst werden.
So wird deutlich, dass die Menschenwürde sich nicht als solche, sondern auf dem Boden von Gegebenheiten entwickelt. Trotzdem kann gefragt werden: wo werden ihre Grenzen überschritten? Wo ist die immer wider erwähnte „rote Linie“? Aber auch: falls diese überschritten wird: was dann? Hat das irgendwelche Konsequenzen?
Bezogen auf einen gängigen Wortgebrauch kennen wir die Aussage: sich würdig benehmen. Das hiesse, sich seiner Art nach, nach seiner Wesensart, diese nicht verlassend, zu verhalten. Aber gleichzeitig treten wieder die Dimensionen der Werte und des Menschenbildes in den Vordergrund: Welche sind die Kriterien für die „Art“?
Oder nehmen wir die Redewendung „Würde zu wahren“. Dies kann bedeuten, die Würde des andern, seine Wesensart zu anerkennen, nicht zu beeinträchtigen, nicht zu missachten, nicht zu missbrauchen. Es erscheint hier eine gewisse Nähe zum Begriff des Naturrechts, welches seinerseits Rechte und Pflichten definiert im Zusammenhang mit der einzigen Tagsache des menschlichen Seins, welches sich aus dem Universum abgrenzt und durch den Verstand die gegenseitigen Verhaltensverhältnisse gegenüber der „Natur“ (Universum) und den anderen Menschen erleben und erkennen kann.
Dem anderen seine Rechte zugestehen führt aussserdem hin zu einer anderen uralten Regel der Ethik: der „Regula Aurea“ oder Goldenen Regel, welche zwei Arten der Formulierung kennt: Die eine ist positiv ausgedrückt und lautet „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das sollt auch ihr ihnen ebenso tun“ (Bibel, nach Mathäus 7.12, Worte aus der Bergpredigt). Die andere Version ist verneinend formuliert, auf Deutsch offenbar erstmals im 13. Jh. : „Swaz du niht wil daz dir geschiht / des entu-o dem andern niht“ (Buch der Rügen, anonym) oder heute: „Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füge keinem andern zu“.
Diese Regel ist auf wahre Empathie ausgerichtet: sich hineinversetzen in die Lage Betroffener und daraus ein Kriterium moralischen Handelns abzuleiten. Sie kann einerseits moralische Eigenverantwortung und andrerseits eine Korrektur der missbräuchlichen Anwendung beinhalten. Da aber nicht inhaltlich richtiges oder falsches Handeln bezeichnet wird, wurde auch geäussert, die Regel begünstige die eigennnützigen, klugen, die Vor- und Nachteile erwägenden Aspekte. Aber auch als Instrument der Fairness, die Interesse anderer gleich berechtigt zu sehen wie die eigenen, wurde sie verstanden. Und ebenso als eine Grundlage für die Achtung der Menschenwürde.
Sprechen wir vom Menschenbild, so lautet eine weitere Frage: Wem gebührt die Würde?
Wir können den Körpererwähnen, die materielle Leiblichkeit des Menschen. Oft hört man in diesem Zusammenhang technische Ausdrücke wie „Festplatte“ und „“Software“ für das Gehirn, oder „Pumpe“ für das Herz. Bei solchen Ausdrücken entgeht es dem Verwender derselben, dass es sich nicht um eine Maschine, sondern um einen Organismus handelt, der lebt. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Das Leben teilt der Mensch mit den Pflanzen und Tieren auf der Erde, und mit der Erde selbst. Es wird deshalb der Gesichtspunkt der Maschine der Menschenwürde nicht gerecht.
Den Menschen als Pflanze zu behandeln, würde ihm aber auch nicht gerecht, obwohl es Ansichten gibt, die dem Pflanzlichen in ihm höchste Priorität zusprechen, zum Beispiel dem Mikrobiom (oder Darmflora). Aber der Mensch hat auch eine fühlende Dimension, eine emotionale – diese teilt er mit den Tieren. Besonders in der Psychologie wird er oft mit dem Tier verglichen. Die ganze Verhaltenstherapie ist mehr oder weniger darauf aufgebaut. Ist er aber ein Tier?
Als denkendes Wesen unterscheidet er sich wesentlich davon, er hat Philosophie und Wissenschaft, Religion und Kunst – und nur wenn auch diese Dimensionen berücksichtigt werden, kommen wir in die Nähe des typisch Menschlichen, dem schliesslich die Würde gebührt.
Leiten wir das Bewussein auf die Tatsache, dass es sich, auch hier, in diesem Geschriebenen zur Menschenwürde , um Gedanken handelt. Würde und Entwürdigung: es geht um gedankliche Konzepte. Das trifft auch auf alles zu, was mit Recht zu tun hat.
Geht man auf die Ethymologie des Wortes Würde zurück, so trifft man auf das althochdeutsche „Wirdi“, das im Zusammenhang steht mit dem Adjektiv „wert“, d.h. wert sein, der Achtung, der Würde wert.
Das Adjetiv „wert“ selber lautet althochdeutsch „werd“, gothisch „wairps“, englisch „worth“ und schwedisch „värd“ und hat mit der indogermanischen Wurzel “-uer“ zu tun, die soviel bedeutet wie „gegen etwas gewendet sein“. Auch das Verb „werden“ ist daraus abgeleitet und das Substantiv „Wert“.
Bei „werden“ kommen wir wiederum zurück auf das althochdeutsche „werdan“, das gotische „wairpan“, altenglisch „weordan“ und das schwedische „varda“ und alle sind verwandt mit dem lateinischen „vertere“: kehren, wenden, drehen“. Das bedeutet eigentlich „(sich) drehen, wenden“ woraus sich ergibt „sich zu etwas wenden, sich zuwenden, etwas werden“, nämlich weil ich durch das Zuwenden das andere und mich selber beeinflusse und verändere.
Es ergibt sich eine ethymologische Folge, die auch ethisch nachvollzogen werden kann, nämlich von: wenden – werden – wert – Würde. Würde entsteht somit aus dem sich achtsamen Zuwenden zu dem Gegenüber, aus einer Form der Anerkennung, der Empathie.
Noch viele weitere Gesichspunkte könnten angeführt werden, es soll davon jedoch nur noch ein letzter, nämlich in den Worten Friederich Schillers („Über Anmut und Würde“) angefügt werden. Er schreibt :“So wie die Anmut der Ausdruck einer schönen Seele ist, so ist Würde der Ausdruck einer erhabenen Gesinnung. Beherrschung der Triebe durch die moralische Kraft ist Geistesfreiheit, und Würde heisst ihr Ausdruck in der Erscheinung. –
Bei der Würde führt sich der Geist in dem Körper als Herrscher auf, denn hier hat er seine Selbständigkeit gegen den gebieterischen Trieb zu behaupten, der ohne ihn zu Handlungen schreitet und sich seinem Joch gern entziehen möchte.“
————————
Wo drohen nun aber die Gefahren für die Menschenwürde, wo lauern sie aus dem Hinterhalt?
Eigentlich immer da, wo es um eine Beeinträchtigung geht des Menschenbildes, besonders von Körper, Leben, Seele und Geist.
Im körperlichen zum Beispiel durch Folter, durch Maskentragen, durch Körperverletzung – auch Impfungen gehören dazu.
Das Leben betreffend sind es: der freien Atmung beraubt zu sein, eingeschlossen zu werden, an Bewegungsmangel zu leiden (Spazierverbot und Verbot von Sport) durch Verordnung: all das sind Beispiele der Missachtung der Menschenwürde.
Das Seelische betreffend sind es die Einschränkungen der mitmenschlichen Kontakte wie z.B. in der Schule, Einkzukaufen, der Besuche von Freunden und der Verwandtschaft: bei Geburten, in Alters-und Pflegeheimen, in Spitälern, im Todesfall.
Das Geistige betreffend sind es die Einschränkungen des freien Denkens und der Meinungsfreiheit, der Kultur, der Religion, der Vorträge, der Musik, des Tanzes, des Theaters oder der Diskotheken, und die Zensur. Auch die Verunmöglichung der Kommunikation durch die Maske bei Mundlesenden und bei dementen Menschen.
In Gedanken an das, was während der „Pandemie“-Zeit geschehen ist und über die Menschheit verhängt wurde, steigen Bilder auf, die an die Biederbergschen Folterkriterien erinnern oder an die Charta des Zwangs: Isolation, Monopolisierung der Wahrnehmung, induzierte Schwäche und Erschöpfung, Bedrohungen und Erpressung, gelegentliche willkürliche Nachgiebigkeit, dann Degradierung, Durchsetzung trivialer, widerprüchlicher Forderungen, die sich laufend ändern. Weitere Ausführungen dazu finden sich auch in der entsprechenden Literatur zur „weissen Folter“.
Weitere Gefahren für die Menschenwürde sind pervers-narzistische oder psychopathische Menschen, die gegenwärtig als Akteure der Krise einzuordnen sind. Deren Charakteristika wurden von den Psychologen Hurni und Stoll treffend beschrieben in ihrem Buch „Der Hass der Liebe“. Die Autoren unterscheiden dort das sogenannt normale seelische Leben, das sie als typischerweise und tendenziell neurotisch bezeichnen, von dem der Perversen.
Wenn bei ersteren Ideale auftreten, neigen die letzteren zu grössenwahnsinnigen Ideen. Das sich Infragestellen wird bei den Perversen zur Rechthaberei, die beibehalten wird, es ändert sich höchstens die Strategie. Wenn erstere dazu tendieren, das eigene und das Leid des andern zu vermindern, so ist bei letzteren das Gegenteill der Fall mit typisch sado-masochistischem Verhalten. Haben die „Neurotiker“ Schuldgefühle, so sind die Perversen skrupellos und fühlen sich immer ohne Schuld. Wenn die Ersteren kreative Gedanken haben, so sind es bei den Letzteren strategische. Auch herrschen bei diesen oft Wut und Angst vor, bei jenen aber das ganze Spektrum zwischen Liebe und Hass. Die Liste könnte verlängert werden, doch wird deutlich, wie das Funktionieren von Perversen und Psychopathen nie mit Menschenwürde vereinbar ist. Innerhalb der sogenanten Pandemiekrise sind noch andere Mittel aus der Werkzeugkiste der Psyhopathen und Perversen eingesetzt worden, nicht nur individuell sondern auch institutionnell, die hier nur kurz aufgelistet seien, alle unvereinbar
mit Menschenwürde:
Doppelbotschaften – Manipulation und Triangulation – Lügen – Erpressung – Induziertes Denken (Ghostlighting) – Erniedrigung – Unterstellungen – Anschreien, Wutanfälle – Schmeicheln, Verführen – Abstreiten, Verharmlosen – Zweifel indzuzieren – Ängstigen – Drohen – Sanktionieren, Bestrafen – körperliche Gewalt (Injektionen, Masken).
———–
Da es ein Anliegen der Organisation Aletheia ist ( welche diese Ausführungen veranlaste), nicht nur Darstellungen, sondern auch praktische Hilfestellungen zu vermitteln in den Situationen, denen wir begegnen, sollen zum Schluss noch einige Mittel und Wege erwähnt sein um aus der bedrohten oder missachteten Menschenwürde heraus zu finden.
Als erstes gilt es, die Situation zu erkennen (d.h. das Phänomen der Missachtung) und ihm einen Namen zu geben, es klar zu benennen, als stellte man eine Diagnose.
Zweitens muss man sich der Grenze, die überschritten ist, bewusst werden und der verletzten Werte (siehe oben: „wenden“). Dann sind die Grenzen neu zu setzen: sofort, mittelfristig und langfristig.
Erste Handlungen sind sodann: Sicherheit vermitteln, einen sicheren Aufenthaltsort zu schaffen. Sichtschutz, Trinken, Essen, Strom (für Mobil-telefon), Übernachtungsmöglichkeit anbieten.
Zuhören gehört dazu, nicht aufdrängen, nur zurückhaltend nachfragen.
Einen raschen Zugang zu Bezugsperson(en) ermöglichen.
Informationen anbieten, aber nicht aufdrängen. Eventuell wiederholen tags darauf, evtl. im Beisein der vertrauten Bezugsperson.
Informationen zur Verarbeitung von Schocks anbieten.
Erreichbarkeit klarstellen, nächsten Termin anbieten bzw. vereinbaren.
—————–
Was sollte vermieden werden? Was würde die akute Situation verschlimmern?
Debriefing, Fragen nach Details, vor allem nach Emotionen.
Die Situation als „krank“ oder die Reaktion als “nicht normal” darstellen.
Wichtige Informationen verschweigen.
Zulassen von Alkohol, Abgabe von Benzodiazepinen.
Unmögliche Ratschläge wie: „vergessen Sie es doch einfach“ , „versuchen Sie, nicht daran zu denken“, „denken Sie einfach etwas anderes“ , “ es ist alles nicht so schlimm“.
———————–
Die Grenzen der Menschenwürde sind meistens unsichtbar. Oft werden sie erst bewusst, wenn sie längst überschritten sind. Deshalb ist das Erkennen der Situationen des „Übergriffes“ ein zentrales Element. Erst dann kann ein betroffener Mensch das Erlebte “wenden” zur Würde. Und deshalb sei der folgende Satz ein abschliessender, und aber zugleich Bedingung:
Niemand kann uns unsere Menschenwürde nehmen, wenn wir sie nicht fallen lassen.
Damit liegt ein Teil ihrer Wahrung ganz beim Einzelnen. Und nur dann ist sie unveräusserlich.
Björn Riggenbach, Herbst 2023