Traumatisierte Gesellschaft

Am Anfang habe ich die Reaktion des Bundesrates begriffen und auch gutgeheissen. Aber bereits gegen Ende März sind mir diverse Diskrepanzen aufgefallen.

Im Folgenden möchte ich eine in meinen Augen für unsere Gesellschaft sehr wichtige Tatsache hervorheben:
Aus der Traumaforschung wissen wir, dass es für Kinder sehr schwierig und traumatisierend ist, wenn ihre Eltern jeden Tag andere Regeln aufstellen. Was heute gilt, war gestern verboten und morgen hat nie jemand darüber gesprochen. Solche Vorgehensweisen der Eltern traumatisieren ein Kind, halten es konstant unter einem gewissen Stress, weil das Kind nie genau weiss, was denn heute okay ist und was Sanktionen nach sich zieht. Entsprechend passt sich das Kind an, hält seine Umgebung konstant kontrollierend im Blick und macht sich bereit, seine Gedanken und Gefühle jederzeit anzupassen, respektive zu unterdrücken. Eigentlich gleicht dieser Vorgang einer Folter.

Nun, was für Kinder gilt, gilt in diesem Sinne auch für Erwachsene. Die ewig wechselnden Massnahmen, das Hin und Her mit den Masken, Impfpflicht oder nicht, der grausame Ausdruck des «Sozial Distancing» anstatt «physical Distancing» sind ein paar Beispiele.

Nach allen Regeln der psychologischen Kunst bedeutet das, dass ein Grossteil unserer Gesellschaft jetzt traumatisiert ist. Das konnten und können wir am Niveau vieler Diskussionen bezüglich dem Thema Covid sehr gut beobachten. Wenn wir entsprechenden Diskussionen von aussen lauschen, sehen wir schnell, dass oft auf dem Niveau von Kindern «diskutiert» wird. Es wird oft ziemlich unreflektiert behauptet – auf beiden extremen Seiten: Während z. B. in den Augen der übereifrigen Massnahmenbefürworter alle Demonstrationsteilnehmer Rassisten sind, sind auf der anderen Seite die extremen Massnahmengegner z. T. der Auffassung, dass der hinterste und letzte Politiker von der Pharma gekauft ist. Beide extremen Seiten lassen keine Diskussion mehr zu, Meinungen werden mit Fakten verwechselt, der Tunnelblick ist zum Standard geworden.

Corona hat unserer Gesellschaft viel aufgezeigt; Handlungsbedarf in Politik, Journalismus, Wirtschaft und dem Gesundheitswesen sind nun offensichtlicher als vorher. Ganz offensichtlich ist die Tatsache geworden, dass wir noch keine mündige Gesellschaft sind. Was wir am meisten brauchen ist Persönlichkeitsentwicklung: Wir müssen uns unseren wirklichen Glaubenssätzen und Handlungsmuster bewusst werden und sie überprüfen. Solange wir das nicht tun, wird sich in der Gesellschaft nichts nachhaltig ändern.

Philipp Ryf, Berufsmasseur, PilatesCare Trainer, Hypnosetherapeut, angehender Psychosynthese-Berater

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