Die Reise von Odysseus geht weiter

2te Station – Läuterung – Lotophagoi

Auf den Kikonen hat Odysseus durch das gierige Verhalten fast die Hälfe seiner Gefährten und Schiffe für immer im Kampf verloren. So geläutert erreicht er die 2te Station seiner Reise, die Insel von «Λωτοφάγων» (Lotophagoi).

Die Insel des Genusses und der Bequemlichkeit.

Dort sendet er drei seiner Gefährten als Kundschafter voraus auf die Insel. Sie treffen auf sehr friedliche und gastfreundliche Bewohner, die Lotophagen. Auf dieser Insel wächst die Lotos-Frucht. Eine besondere Frucht. Sie ist so süss und wohlschmeckend, dass jeder, der davon kostet, nur noch von dieser Frucht essen will. Es kommt sogar das Verlangen auf, für immer im Land der Lotophagen zu bleiben – weil man alles andere vergisst. Man vergisst wohin man gehen wollte, woher man kommt, was man für Ziele hatte und warum…

Vergeblich warten Odysseus und seine Mannschaft auf ihre Gefährten und sie machen sich auf die Suche nach ihnen. Odysseus findet die drei Gefährten ganz betäubt von den sinnlichen Genüssen. Sie haben alles vergessen und wollen nicht mehr zurück zu den Schiffen.

Odysseus hat das Ziel wieder nachhause zu kommen aber tief in sich verankert und entschliesst sich kurzerhand, seine Gefährten mit Gewalt wieder auf die Schiffe zu bringen, damit die Reise weitergehen kann.

So verliert Odysseus auf dieser Insel keinen seiner Gefährten, spürt und erkennt aber deutlich, wie leicht Genuss und Bequemlichkeit die Sinne überschwemmen und benebeln können und so das Wesentliche verlorengeht. Er begreift, dass es feste Zügel braucht, um sich nicht darin zu verlieren.

Wo lassen wir uns heute von Genüssen befangen?

Wie subtil verschleiern sie unseren Blick fürs Wesentliche? Wer hält in unserem Leben die Zügel? Wie weit sind wir bereit Kompromisse zuzulassen, damit wir Genuss und Bequemlichkeit nicht verlieren?

Sind das nicht die Fragen, die einem bei dieser Geschichte in den Sinn kommen?

Sie führen tiefer, in unsere Seele, in unser Herz, und berühren und offenbaren die essenziellen Wesenszüge unseres Seins und unseres Bewusstseins. Hier begegnen wir unserer ethischen* Verankerung, die unbeirrbar führt.

So wie Odysseus auf der Insel der Genüsse herausgefordert wird, werden auch wir immer und immer wieder herausgefordert, den Blick und das Gespür fürs Wesentliche nicht zu verlieren. Verlieren wir nicht die Verbindung zu unserer Seele, zu unserem Geist und zur höheren Führung.

 

* ethos = theos = Gott

 

Beiträge der Serie “Die Reise des Odysseus” | griechische Mythologie

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